Thüringen 2015

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Stand 22.08.2015 · Impressum: Diese Webseite wird betrieben von Jörg Hausmann, Friedensstraße 23, 01097 Dresden
Tel.: +49 173 2028402 · E-Mail: heizfrosch@web.de · Fotos & Texte © Jörg Hausmann & Frau R. 2015
Für Papa.

Legende

Grauer Text: vom heizfrosch
Orangefarbener Text: von Frau R.

Einleitung

Die Zeit nach dem Urlaub in Cornwall war nicht die Beste, und deshalb fiel die Entscheidung für einen Urlaub in Deutschland dieses Jahr recht schnell. Frau R. hatte ziemlich zeitig ein interessantes Ferienhaus in der Nähe von Erfurt entdeckt, und der Preis sowie die Beschreibung ließen uns nicht lange zögern. Vielleicht war der günstige Preis (wir bezahlen für 2 Wochen weniger als sonst für 1 Woche Ferienhaus in Skandinavien) auch dem nicht vorhandenen WLAN geschuldet. Aber derlei Details werden erst später wichtig und sind es auch nicht wirklich.

Bis zwei Tage vor der Abreise war noch nicht einmal klar, ob wir den Urlaub pünktlich oder überhaupt antreten werden, aber am Ende kamen wir zum geplanten Termin aus Dresden weg.

Unser Häuschen

Fachwerk, niedlich, große Dachfenster im Schlafzimmer mit gigantischem Blick auf den Sternenhimmel oder Gewitterblitze sowie 4.000 m² Grundstück – was will man mehr …



Tagebuch

18.07.2015 Die Anreise nach Erfurt

… verlief unspektakulär. Auf der Autobahn erwischen uns zwei oder drei heftigere Regenschauer, aber ansonsten bleibt das Wetter sommerlich-freundlich, und so schaffen wir es in ziemlich genau zwei Stunden von Haustür zu Haustür. In Erfurt werden wir am vereinbarten Treffpunkt vom Besitzer des Ferienhauses abgeholt und zum Grundstück gelotst – 4.000 m² Garten mit einem ausgebauten Fachwerkhaus erfüllen alle unsere Vorstellungen von einer netten Unterkunft. Der Mietpreis muss sofort in bar beglichen werden. Eine Vorgehensweise, die unüblich ist, steuerliche Gestaltung vermuten lässt, das Ankommen allerdings viel persönlicher gestaltet. Ich zücke also die Geldbörse und blättere dem Vermieter die Geldscheine hin: »Ah, die haben Sie vom Automaten geholt.« Da Sarkasmus nicht angebracht ist, DENKE ich nur: »Nein, wie immer in mühevoller Kleinarbeit selbst gezeichnet …« Eine Minute nach Verbringen der letzten Gepäckstücke ins Haus fängt es an zu regnen, aber der Rest des Abends ermöglicht doch noch Lesen auf der Terrasse.

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19.07.2015 Kurzbesuch in Erfurt

Wir rollen nur kurz nach Erfurt hinein. Auf dem Domplatz treffen wir eine seltsame Frau mit einem seltsamen Schild um den Hals (irgendwas mit Sonne und Fukushima), die uns »Ich bin eine Demonstration!« entgegenbrüllt. Die Domstufen sind noch mit der Deko für die Domstufenfestspiele zugebaut und deshalb nicht begehbar. Wir werden sowohl in der Erfurt-Info in der Innenstadt als auch in der Thüringen-Info am Bahnhof nach Einsacken von Infomaterial als jeweils letzte Kunden vor die Tür geworfen, fassen noch flink Brötchen aus und reisen wieder zurück ins Ferienhaus. Der Rest des Tages ist Gemütlichkeit.

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20.07.2015 Plausch mit Verwandten in Kahla

Von diesem Tag gibt es nichts weiter zu berichten, außer dass wir von Verwandten in Kahla gut bewirtet wurden und reichlich sieben Stunden mit Plauschen verbringen. Zurück ins Häuschen, lesen, fertig. Theoretisch waren der Besuch der Leuchtenburg und der Porzellan- sowie Keks-Werksverkauf geplant. Doch wegen der herzlichen Gastfreundschaft von Elke und Ernst haben wir das einfach nicht geschafft.

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21.07.2015 Kranichfeld

Der erste richtige Ausflugstag! Wir fahren ca. 20 km bis nach Kranichfeld und besichtigen dort zuerst das Oberschloss. Dieses ist eine Renaissanceanlage, welche in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts vom bankrotten Besitzer warm abgerissen (so das Gerücht) und später als Ruine an die SS verschenkt wurde, welche dort nach dem teilweisen Wiederaufbau eine Napola betrieb. Seit Anfang der Achtzigerjahre gibt es einen Verein zum Erhalt und der Rekonstruktion des Schlosses – einiges an Arbeit ist schon erledigt und sehenswert, aber große Teile des Schlosses sind noch Ruine. Der Blick übers Land ist spektakulär.



Hernach fahren wir noch zur Niederburg, einer zweiten Schlossanlage im Ort. Ein Teil davon ist ein Greifvogelstation mit täglicher Vorführung im Sommer – während dieser Stunden kann der größte Teil der Anlage nur von Besuchern der Flugvorführung betreten werden. Einen Rotmilan ficht das nicht an und unternimmt eine etwas größere Runde, damit wir ihn bewundern können. Wir beschränken uns auf einen kurzen Besuch des kleinen frei zugänglichen Teils, fahren anschließend noch zum Einkauf und sind pünktlich zum Kaffeetrinken wieder in Erfurt. Restliche Abendgestaltung: wie gehabt gemütlich.



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22.07.2015 Gotha

Hübsches kleines (Innen-)Städtchen mit mittelalterlichen Gassen und einem imposanten Schloss Friedenstein, in dem gleich mehrere Museen untergebracht sind. Für die interessiert sich heute außer uns allerdings niemand (und das ist irgendwie sympthomatisch für Thüringen: Trotz Urlaubszeit ist nichts los! Auch die Einwohner von Gotha scheinen irgendwie aufgegeben zu haben: Teilweise verhärmte Gesichter, eine hohe Dichte Alkoholiker und die schlimmsten Tattoos, die wir außerhalb von England jemals gesehen haben.), und so schlurfen wir (ich gleite elegant) in Filzpantoffeln ganz allein durch die Hallen und Räume, lediglich ab und zu vom Personal beäugt. Im »Pagenhaus«, dem Anbau mit Restaurant und Biergarten, ist da schon wesentlich mehr los, und wir pflegen unsere Füße und den Flüssigkeitshaushalt mit Strudel, Pflaumenstreuselkuchen, Kaffee und Mineralwasser. Am Nachbartisch sitzt eine Reisegruppe aus 4 Damen um die 70, die einem Loriot-Film entsprungen zu sein schienen; Eine »Freundin« fehlte wohl, was die Damen – vor allem eine, die sich auch im Allgemeinen zur Wortführerin aufschwang – zu einer ausschweifenden Lästerattacke aufstachelte. Jene »Freundin« hatte sich wohl bewusst von der Gruppe losgesagt und verbrachte ihre Zeit nun gänzlich in Ahrenshoop, wo sie fürderhin ihre künstlerischen Ambitionen auszuleben gedenke. Natürlich sei alles, also das Künstlerische, nur eingebildet und früher, als man in Ahrenshoop als Gast nur unter ganz spartanischen Umständen (kein Strom, kein fließend Wasser) wohnen konnte, wäre man der WAHRE Künstler gewesen. So die Wortführerin. Und außerdem sei es viel schwieriger, einen Hahn zu zeichnen, als einen Menschen.

Anschließend laufen wir noch durch die zwar großflächige, aber wesentlich weniger imposant als beschriebene Gartenanlage (Die Darstellung im Prospekt ist nicht ansatzweise maßstabsgetreu und wahrscheinlich dem Wunschdenken der Gothaer entsprungen.) zum Herzoglichen Museum. Die Cranach-Ausstellung dort wurde gerade abgebaut, diverse andere Teilbereiche auch, und die verbliebene Dreiviertelstunde bis zum Besucherzeitende 17 Uhr reicht gerade noch so für einen Blick auf ein paar holländische Malereien sowie diversen Krimskrams aus China und Japan. Kleinodien der Porzellan- und Lack-Kunst! Aber da sind wir als Dresdner wahrscheinlich zu sehr verwöhnt ;-)

Den Tag wollen wir eigentlich mit gutbürgerlicher, thüringischer Küche beschließen, doch das stellt sich als unmöglich heraus. Denn die Gothaer Gastronomie in der Innenstadt besteht zu einem Drittel aus Italienern, zu einem Drittel aus allem Möglichen, und das letzte Drittel (eben die Restaurants mit lokaler Küche) hat ausgerechnet heute entweder planmäßig oder außerplanmäßig geschlossen. Na toll. (Davon abgesehen haben wir später noch einen Blick auf die Karte unseres eigentlich auserwählten Wirtshauses geworfen, und die schrie geradezu »Essen aus der Kühltruhe«; schon allein das vegetarische Gericht »Gemüseauflauf überbacken« ist ein echter Lustkiller, und der Rest war auch nicht spannender.)

Also stapfen wir zum Buttermarkt und setzen uns dort ins »S'Limerick« – eine Irische Kneipe – in der Hoffnung auf ein paar anständige Burger. Falls Ihr jemals in der Stadt seid und Selbiges vorhabt: lasst es. Die Burger stellen sich als das Schlimmste heraus, was uns jemals als Burger serviert wurde. Wir lachen jedenfalls lauthals auf, als wir entdecken, dass die vegetarische Variante aus Tiefkühlgemüsestäbchen mit Schmelzkäse, der in der Speisekarte hochtrabend mit »Roter Cheddar« beschrieben wurde, überbacken besteht. Und wir kämpfen bereits nach kurzer Zeit gegen Sodbrennen und Widerwillen. Denn außer, dass alles selbst zusammengesetzt wurde, ist nichts selbst gemacht, sondern aus der Tiefkühltruhe bzw. Fertigprodukt (vermutlich sogar der Beilagensalat). Wahrscheinlich schmeckt es sogar bei McDoof besser und dort bezahlt man nicht 10 EUR pro Doppelburger. Sehr bedenklich … Auf die Frage, wie es geschmeckt hätte, antwortet Frau R. in meiner Abwesenheit mit »Interessant!« Die Bedienung versteht allerdings Sarkasmus nicht allzu gut, hält das auch noch für ein Kompliment und zeigt sich recht stolz auf das Servierte. Davon abgesehen stutzen wir schon bei der Bestellung – in der eigentlich recht liebevoll gestalteten Karte gibt es eine Auswahl Burger, und ein Beilageblatt kündigt an, dass es diese jetzt auch endlich wieder in den »High-Tower-Versionen« gäbe. Preislich sind die High Towers identisch zu denen in der Hauptkarte, würden allerdings ohne Pommes serviert. Hä? Auf Nachfrage beim Personal erfahren wir: »High Tower« bedeutet doppelt Fleisch, »steht ja so auch auf der Karte«. Nein, steht es nicht, wir haben extra nochmal gesucht. Und auf die Frage, was denn dann ein doppelter Veggie-Burger wäre, fiel dem Servierkörper gar nichts mehr ein …

Fußlahm geht es nach Hause und zu einem Trostbier auf der Terrasse. Dieser Vorgang wird mit dem Satz des Tages eingeleitet: »Wenn's bei Dir beim Bier bleibt, bleibt's bei mir auch beim Bier.« Nach einer gewissen Menge Alkohol auch ein passabler Zungenbrecher ;-)



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23.07.2015 Opfermoor Vogtei, Niederdorla

Wo wir sind, ist die Mitte. Zumindest Deutschlands. Und auch nur geografisch. Wir reisen zum Stein in Niederdorla, der den von einem Dresdner Büro berechneten Nabel des Landes markiert, und ganz praktisch liegt gleich daneben ein ehemaliges Opfermoor mit diversen Kultplätzen und der Möglichkeit, ein bisschen durch ein parkähnliches Gelände zu wandern. Was wir auch tun. Frau R. dokumentiert außerdem hingebungsvoll Mäusekadaver, die von Wespen zweitverwertet werden. Hier kommt allerdings nicht meine morbide Neigung zur Geltung, sondern vielmehr mein Forschergeist und meine Begeisterung für die Natur. Und auch hier wundert mich wieder, wie wenige Menschen sich für dieses Freilichtmuseum interessieren. In Skandinavien undenkbar! Dort würden in der Sommersaison Menschen »Steinzeiturlaub« machen und das Gelände so mit Leben füllen. Und vor Besuchern könnte sich solch eine nachempfundene Kultstätte auch nicht retten. Mag vielleicht daran liegen, dass in Skandinavien IMMER Gelegenheiten zum Mitmachen geboten werden. Tja, Thüringen ist halt etwas gemütlich ...

Den Tourabschluss bildet ein Besuch in der Obstverarbeitung »Fahner«, wo alle möglichen Säfte aus lokalem und internationalem Gepflanz gepresst, marmeladiert und teilweise auch verschnappst bzw. verkeltert werden.



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24.07.2015 Wildkatzendorf Hütscheroda

Einer der Pflichtpunkte im Ferienprogramm. Mein Herzenswunsch, da ich als Wildkatzenpate und Förderer vom »Grünen Band« (ein Programm vom BUND, der durch Anpflanzungen grüne Korridore – also Wanderwege – für verschiedene Arten zwischen verschiedenen, durch Felder und Straßen zerklüftete Gebiete und Wälder schafft) sehen will, was in der Praxis so umgesetzt wird. Da das Wetter heute noch recht einladend ist, ab morgen aber erstmal durchsacken soll, rollen wir über Land – teils von einer etwas konfusen und vom Straßenbaugeschehen überrollten Frau Prof. Inge – und kommen mit ausreichend Vorlauf vor der nächsten Fütterung in der Wildkatzenscheune in Hütscheroda an. (Auf der Autobahn versucht ein irrer Kölner VW-Bus-Fahrer, uns umzubringen, indem er ohne zu schauen ungefähr 10 Meter vor uns auf die Überholspur zieht, dabei aber ca. 50 km/h langsamer ist als wir. Zwei beherzte Vollbremsungen aus der Kategorie »Ich habe nicht nachgedacht, ich habe instinktiv gehandelt« halten uns im Diesseits.) Die Zeit reicht theoretisch noch für die komplette Umwanderung des Ortes und durch einen Teil des Nationalparks Hainich, in dem sich dank der Tätigkeit des BUNDes in den letzten Jahren vermehrt wieder Wildkatzen ansiedeln. Per Lockstock-Methode wurden 11 Wildkatzen nachgewiesen.

Neben der traditionellen Möglichkeit der Naturwanderung besteht noch die Option, einen »Verkaufslehrpfad« zu beschreiten. Diese »pfiffige« Idee wird nicht näher erläutert, nur ein paar Tafeln mit Lebens- und Marktweisheiten tauchen ab und zu am Wegesrand auf. Nun, irgendeine Firma wird ihre Jungmanager oder Abteilungen wohl zu einer teambildenden Maßnahme nach Thüringen delegieren.

Der Stich ins Grüne wird wegen der Temperaturen und der prallen Sonne etwas anstrengender als gedacht (vor allem die uns zugedachte Aufmerksamkeit der Insekten ist mit der Zeit doch etwas lästig und auch mit Diskutieren nicht abzuwenden), aber in der Mitte der Tour haben wir von einem Aussichtsturm (»Generalsblick«, errichtet auf einem Hügel, von dem früher die Militärmanöver im Gelände überwacht wurden) einen grandiosen Rundblick übers Land. Der zweite Teil des Marsches führt durch schattigere Wege meist bergab, und deshalb schaffen wir es erholt und pünktlich ins Wildkatzengehege. Dort bekommen 14 Uhr drei Wildkater ein paar Küken und Mäuse. Prächtige Tiere! Also die Wildkater. Der Vierte im Bund musste leider vor kurzem nach Suhl in den Zoo umziehen, weil er doch ein bisschen sehr den Starken Max machen und sich mit seinem Bruder, mit der er das Gehege geteilt hat, kloppen wollte. Die Anlage ist wirklich beeindruckend! Laut Gesetzgeber stehen jeder Wildkatze in Gefangenschaft ein Gehege von 40 qm zu. Diese Katzen haben ca. je 80 qm abwechslungsreich gestaltetes eingezäuntes Areal: Kletterbäume, viele Versteckmöglichkeiten, weiches Gras und Futterversorgung mit Aktionsmöglichkeiten. Da möchte man Katze sein. Bis auf die Versorgung mit Mäuse- und Kükenkadavern vielleicht ;-)

Im Hotelrestaurant »Herrenhaus« nehmen wir noch einen Stützkaffeekuchen zu uns, aber dann will ich nur noch unter die Dusche und später lesen.



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25.07.2015 Faultag, schlechtwetterbedingt

Draußen windböht es gar fürchterlich, der Sturm treibt unreife Kirschen vom Baum neben dem Haus in unser Schlafzimmer. Wir machen deshalb nichts Touristisches, bewegen uns nicht einmal aus dem Häuschen, lesen stattdessen und genießen eine faule Zeit.

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26.07.2015 Eisenach

Yeah, total tolles Wetter, Sonne, aber nicht zu warm. Wir rollen nach Eisenach und finden sofort und ungeplant einen Parkplatz direkt am Markt, der sonntags kostenlos ist. Yeah #2. Zuallererst stürmen wir die Touristeninfo, laufen allerdings auf dem Weg dahin an einem Laden namens »Eismanufaktur« vorbei. Das beschäftigt unsere Köpfe intensiv, zumal die Öffnungszeiten mit »Ab 11 Uhr, bis alles alle ist« angegeben sind. Die Devise lautet »Kein Risiko!«, und deshalb beginnt der Rundgang mit zwei verteufelt großen Portionen verteufelt leckeren Eises mit auch noch selbstgebackenen(!) Eiswaffeln als Deko. Die gibt es dort zur Auswahl mit Zimt, Schokolade und sogar als vegane Variante. Wir entscheiden uns für die Variante »Schokojunge«: 3 Kugeln Eis nach Wahl mit Schokosoße, Sahne, Waffel und einer selbst gemachten Praline. Und so sitzen wir selig, jeder einen Becher Eis vor sich, am frühen Mittag in der Sonne auf dem Eisenacher Marktplatz und genießen das Leben.

Voll im Zuckerschock stehend, ist die etwas hügelige Stadt kein Problem, und somit stiefeln wir auf und ab durch mittelalterliche Gässchen vorbei an Luther, Luther und nochmal Luther sowie Bach und wiederum Bach-Familie, sogar am Grab von Wilhelm Grimms Frau. Man kann der Kultur nicht entkommen!



Und weil die Zeit am Ende noch reicht und wir nebenbei auf ein leckeres Abendbrot in einem der Restaurants zählen, fahren wir auch noch für zwei Stündchen auf die Wartburg. Eigentlich wollte ich da nicht hin – man kennt sie ja aus dem Fernsehen, nicht wahr? –, aber letztendlich war das doch keine schlechte Idee, auch weil nicht ganz so viele Touristen vor Ort sind. Allerdings mehr als in so manch anderen sehenswerten Sehenswürdigkeiten. Und hier endlich die unvermeidliche asiatische Reisegruppe »Europa in 3 Tagen«. Die Leute werden durchs Museum und an Luthers Studierstube (wir erinnern uns: Luther weilte für ein paar Monate inkognito als Junker Jörg auf der Wartburg) vorbei gehetzt. Die Wartburg in 3 Minuten – da kann unsereiner nicht mithalten! Und wahrscheinlich wird dann Zuhause erzählt, was für ein reicher Kerl dieser Luther war, denn sonst hätte er sich diese Burg wohl kaum leisten können ;-) Ansonsten fallen noch überdurchschnittlich viele »Accessoire-Hunde« auf, deren Größe umgekehrt proportional zum Besitzer steht: Je dicker das Frauchen/Herrchen, desto kleiner der Hund. Und je kleiner der Hund, desto neurotischer ist er auch; Frauchen/Herrchen dagegen eher phlegmatisch.

Zu Abend speisen wir im »Residenzhaus-Keller« etwas versteckt oberhalb des Marktes, der jedoch mit der interessantesten Karte und in der Tat gutem Essen aufwartet. Saisonal entsprechend stehen Speisen mit Pfifferlingen auf der Tageskarte. Selbst ein Dessert wird noch geordert – Frau R. kann dem Passionsfruchtsorbet nicht widerstehen, in Anbetracht der riesigen Eisportion vom Vormittag bitten wir aber um zwei Löffel für einen Nachtisch. Mehr wäre nicht mehr gegangen. Und der Dekochef kann auch was! Und zwar Erdbeeren in hauchdünne Scheiben schneiden.



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27.07.2015 Faultag, schlechtwetterbedingt

Igitt, es pieselt und plattert teilweise. Wir brechen darum nur zu einer kurzen Einkaufsrunde auf.

Und so langsam glaube ich, dass die Thüringer entweder ihre Schilder nicht selber schreiben und/oder nicht lesen und/oder thüringisches Deutsch anders funktioniert als im Rest des Landes. Wir kaufen im MediaMarkt einen Wecker und begeben uns zum Kassenbereich. Der sieht allerdings zur Abwechslung nicht so aus wie überall, sondern wie der Schaltertresen bei der Post: viele Kassen nebeneinander und nur eine Warteschlange, die sich auffächert. Wir verbleiben vorerst am Schild »Diskretionsbereich, bitte Abstand halten« und bewegen uns erst zur nächsten freien Kasse, als der vorherige Kunde schon beinahe am Auto in der Tiefgarage sein müsste. Allerdings kommt prompt eine etwas ruppige Ansage: »Die Kollegin ruft Sie normalerweise auf, das steht da auf dem Schild!« Wir entschuldigen uns, laufen rückwärts bis zum Schild – wo allerdings selbst nach mehrmaligem Kontrolllesen der beiden Zeilen nichts davon steht, dass man auf einen Aufruf warten soll. Wir werden jetzt tatsächlich aufgerufen und weisen auf die Tatsache hin, dass von einem Aufrufsystem auf dem besagten Schild nichts zu entdecken ist. Aber die Verkäuferin besteht darauf, dass diese Information dort zu finden sei. Bzw. dass der Hinweis auf Einhalten des Diskretionsabstandes NATÜRLICH bedeutet, dass Kunde warten muss, bis er zu einer bestimmten Kasse gerufen wird. Das wird mir zu doof, ich schlage noch kurz ein Nummernsystem vor, verlange eine Prämie für meinen Neuerervorschlag, und dann ist der dämlich Wecker auch schon bezahlt.

Der Rest des Tages gehört der Literatur und der Gemütlichkeit.

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28.07.2015 Rudolstadt

Teils zieht uns Frau R.'s Familiengeschichte dorthin, teils die Heidecksburg, ein imposantes Gebäude oberhalb der mittelalterlich verschlungenen Stadt.

Parkplätze gibt es am Fuß der Burg ausreichend. Wir bezahlen das volle Besichtigungsprogramm und werden von einer etwas auf Krawall gebürsteten Mitarbeiterin auf Linie gebracht. Wer weiß, was sie in dieser Saison schon hinter sich bringen musste! In jeder Gruppe ist ja immer ein »schlauer Hase«, der entweder alles besser weiß oder Fragen stellt, um den Museumsangestellten aus dem Konzept zu bringen. Wenigstens haben wir vorab eine Fotoerlaubnis erworben, können also mit gutem Benehmen glänzen. Andere verstehen die deutlich sichtbaren Vermerke auf diese für Innenaufnahmen notwendige Fotoerlaubnis genauso wenig wie den Hinweis, historische Ausstellungsstücke nicht anzufassen – da muss man eben doch nochmal über die Kordel grabbeln und am Holz des mehrere Jahrhunderte alten Bettes herumpuhlen, es könnte ja doch ein Bettimitat sein, nicht wahr?

Außerdem heißt es wieder Pantoffeln anziehen, was mit Stahlkappenschuhen immer noch genauso wenig Spaß macht wie bereits in Gotha vor ein paar Tagen. Aber immerhin sind wir mittlerweile recht routiniert im Herumschlittern. Ich wie immer elegant gleitend!

Das Schloss ist alt und geschichtsträchtig, die Gemächer, Räume und Hallen oppulent geschmückt und die Führung detailreich. Gut, gut. Die Nebenausstellungen (eine Gemäldegalerie und eine kurze Einleitung ins botanische Interesse der früheren Schlossherren) sind nett. Aber der Hammer ist eine Kammer im Keller (bzw. der ehemaligen Hofküche) mit der Überschrift »Rococo en miniature« – worum es dort geht, erfährt man z. B. unter rococoenminiature.heidecksburg.de, und ein Besuch dieser Ausstellung wird von uns dringend empfohlen. Die Geschichte dahinter, also über die »Macher«, ist so mitreißend, skurril und fesselnd, dass diese erfundene Miniaturwelt einen ganz besondere Faszination erhält. Ich war begeistert und gerührt zugleich. Wir verbringen fast genau so viel Zeit hier wie beim geführten Rundgang. Für mich DER »Augenöffner« dieses Urlaubs!

Auf dem Rückweg kaufen wir erst im Werksverkauf der Kahlaer Porzellanfabrik ein und plündern dann den ebenfalls in Kahla ansässigen Werksverkauf von Griesson – De Beukelaer; nehmt da bloß keine Kinder mit hin, sonst wird das für Euch die Hölle! :) Aber es lohnt sich! Vieles wird als »Bruchware« oder 2. Wahl verkauft und ist so um Einiges preiswerter als im Handel. Egal! Es kommt ja nicht auf die schicke Verpackung an und es müssen auch nicht alle Kekse gleichmäßig oder heil sein. Geschmack zählt.

Den Tagesabschluss bildet ein Besuch im Erfurter Restaurant »Bombay« am Domplatz, das mit brauchbarer indischer Küche zu … öhm … nicht ganz gewohnten Preisen aufwartet. Aber die scharfe Soße ist wirklich höllisch scharf und schmeckt wie selbst gemacht und wie wochenlang vor sich hin fermentiert. Habe fast Feuer gespuckt ;-)

Wir sind heute übrigens durch Kuhfraß und Großeutersdorf gefahren – die Ortsnamen künden von der lokalen Liebe zur weiblichen rauhfutterverzehrenden Großvieheinheit.



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29.07.2015 Drei-Gleichen-Tour

Wir lassen uns vom Regen am zeitigen Vormittag nicht abschrecken, essen brav unser Frühstück auf und werden deshalb mit Schönwetter belohnt, als wir unsere Tour zu drei berühmten Burgen in der Gegend starten.

Erster Anlaufpunkt ist die Veste Wachsenburg oberhalb von Holzhausen. Wenn wir vorher herausgefunden hätten, dass der interessanteste Aspekt an dieser Burg der Anblick aus der Ferne und das Ensemble heute eigentlich nur Hotel und Restaurant ist, somit touristisch für Besucher also wenig bietet, dann wären wir wahrscheinlich gar nicht hoch gelaufen. Grundsätzlich soll für das Betreten der Burganlage ein Eintrittsgeld von 2 EUR pro Person gezahlt werden. Doch das Einlasshäuschen ist nicht besetzt und die Schranke ist geöffnet. Entweder ist der Angestellte nicht zum Dienst erschienen oder den Eigentümern ist der Obolus mittlerweile selbst peinlich. Man weiß es nicht und wir nehmen diesen Zustand klaglos hin. Wir brechen recht zügig wieder den Rückweg an. So bleibt mehr Zeit für Anderes, und am Rande des Weges entstehen ein paar schöne Naturfotos.



Teil Zwei ist die Mühlburg bei Mühlberg – weitestgehend ruiniert, aber leidlich unterhaltsam und für ebenfalls zwei Euro Eintritt keine Fehlinvestition in Sachen Geld und Zeit. Vom Turm hat man einen herrlichen Blick über die Landschaft.



Der letzte Teil gestaltet sich etwas komplizierter. Wir wollen zur Burg Gleichen in der Nähe von Wandersleben. Der in ganz Thüringen boomende Ausbau von Straßen und die damit einhergehende Verwirrung von Frau Prof. Inge Reloaded macht das Finden des richtigen Parkplatzes nervenaufreibend – auch weil die Ausschilderung von der Autobahn aus denkbar idiotisch ist und vermuten lässt, dass man nur über einen Umweg an die Burg Gleichen herankommt. Richtigerweise ist aber genau dieser Umweg falsch, weil die Zufahrt direkt von der Autobahn möglich wäre, wohingegen man in Wandersleben nicht so abbiegen darf, wie man müsste. Ich sage jetzt nichts mehr zu thüringischen Schildern …

Ruff uff'n Berg, Burgruine gugg'n, Landschaft bestaunen, wohl fühlen, Regenwolken heranziehen sehen, gerade noch rechtzeitig den Weg zum Auto schaffen – alles richtig gemacht. Der diensthabende Kartenverkäufer ist die thüringische Kopie von Herrn Stephan. Allein deshalb hat sich der Aufstieg gelohnt ;-) Und zum Ausgleich für die Mühsal von drei Burgbergbesteigungen und die albernen Ortsnamen gestern gönnen wir uns Kaffee und Kuchen in – jawohl und jucheh! – Freudenthal. Na bitte, geht doch. :)



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30.7.2015 Letzter Urlaubstag – Erfurt

Fast hätten wir es nicht geschafft, die direkte Umgebung unseres diesjährigen Urlaubs anzusehen. Oder kommt das Beste zum Schluss? Kann man so nicht sagen. War halt ein Mix aus Wetterenwicklung und »Könn'wa ja jeden Tag machen …« sowie Öffnungszeiten von Sehenswürdigkeiten. Da es allerdings extrem peinlich ist, in Erfurt zu urlauben, die Stadt aber nicht zu sehen, wären wir wahrscheinlich sogar im Schneesturm losgezogen. In Erfurt muss man neben dem Dom (lt. Herrn H. die »Showkirche«) auch die benachbarte St. Severi-Kirche (lt. Herrn H. die »Service-Kirche) gesehen haben. Auch die Prediger-Kirche ist äußerst beeindruckend! Und natürlich die »Alte Synagoge« mit dem Domschatz. Es schaudert einen, dass der »Schatz« nur wegen des Pogroms im 14. Jh. existiert: Ein jüdischer Kaufmann hatte seine Besitztümer vergraben, konnte sie aber nicht mehr wiederholen, weil er Opfer des Mobs wurde. Mal davon abgesehen, dass Pogrome NIE sinnvoll sind, war dieses besonders widersinnig, denn die Juden waren angeblich Verbreiter der Pest. In Erfurt brach die Pest allerdings erst ein Jahr nach dem Pogrom aus …

Und ansonsten ist Erfurt immer eine Reise wert! Die rekonstruierten mittelalterlich Gassen sind einfach sensationell. Auch wenn sich der moderne Mensch manchmal denkt: »Lieber belagern als drin wohnen!« ;-) Die Menschen sind locker und freundlich, die Stadt ist nicht zu überfüllt und wartet mit einigen Besonderheiten auf, so z. B. einem Fledermausdetektor. Außerdem gibt es viele kleine Geschäfte, in denen der Gast viele Besonderheiten entdecken kann. So wie wir am Ende des Tages im Laden vom Glasbläser Reiter, der mit uns ohne Aufpreis ;-) ein nettes Gespräch führte und obendrein den Ladenschluss versäumte – was einer Gruppe Ferienwohnungsmieter den Arsch rettete, da diese sich verspätet hatten, aber offenbar nicht in der Lage waren, wenigstens mal kurz anzurufen und die Verspätung anzukündigen. Mutti Reiter hatte mehr als zwei Stunden vergeblich gewartet, und wären wir nicht mehr im Laden und damit auch nicht Öffnungszeitenverlängerer gewesen, dann hätten die Urlauber die erste Nacht wahrscheinlich in der Bahnhofsmission übernachtet. :)

Und nicht zu vergessen die kulinarische Seite von Erfurt. Mein Nachmittags-Höhepunkt: Das Café der Schokoladenmanufaktur »Goldhelm«! Wieder saß hinter uns eine Gruppe älterer Damen, die sich deutlich hörbar anzickten, weil das von einer der Damen vorgeschlagene Kulturprogramm wohl keinen großen Beifall fand. Worauf hin diese Dame hörbar einschnappte und versuchte, in wohlsituiertem Deutsch den anderen Damen klar zu machen, was für Kulturbanausinnen diese sind.

Abends gab's dann endlich das lang ersehnte Kloß-Mahl. Sogar für mich als Vegetarierin war es kein Problem, ein Gericht ohne Fleisch nur mit Kloß und Gemüse (dank fähiger, mitdenkender Servicekräfte specklos) zu bekommen. Also wer mal in Erfurt ist und gut und nicht teuer essen gehen will, sollte es in der »Feuerkugel« versuchen. Dort gibt's auch gutes Bier und Soße so viel man will.



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31.7.2015 Heimreise

Über die Heimreise, welche wir wiederum in ca. 2 Studen absolvieren, gibt es absolut gar nichts spektakuläres zu berichten. Wir sammeln nachmittags noch die Schmidts in der Pension ein, und somit ist das Rudel wieder komplett und zuhause.

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Anmerkungen

Wenn man anständiges Brot und gute Brötchen in Erfurt kaufen will, sind Bäckerei und Café Lobenstein in der Damaschkestraße 18 unsere absolute Empfehlung. Gute Qualität, sehr freundliches Personal, und man bekommt zum Kaffee ungefragt ein Glas Wasser gereicht.

Die Eintrittspreise in Museen etc. sind in Thüringen verhältnismäßig günstig. Die Innenstädte sind – abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen wie z.B. Erfurt – leider recht leer, zumal nach 18 Uhr. Museen schließen auch gern schon eher und machen manchmal zwei Ruhetage in der Woche. Man sollte also planen, was man wann sehen möchte.

Nochmal für Nichtthüringer: »Alle High-Tower-Burger werden ohne Pommes serviert« bedeutet »Auf den Burgern ist doppelt Fleisch.«, »Diskretionsbereich« bedeutet »Sie werden aufgerufen, selbst wenn weit und breit niemand zu sehen ist.« Alles klar?

Und liebe Kirchenaufseher: Es nervt, wenn ihr mich allenthalben anquatscht und darauf hinweist, dass in Kirche XY das Fotografieren mit Stativ verboten sei. Danke – ich kann lesen, und ich halte mich an die Regeln des Gastgebers, wenn ich irgendwo zu Besuch bin. Ich nehme am Eingang meinen Hut ab, stelle das Telefon stumm, bewege mich so lautlos und rücksichtsvoll wie möglich. Und ein Einbeinstativ im zusammengeschobenen Zustand, dass sich lediglich als Griff an der Kamera befindet und nirgendwo zum Aufstützen aufgestellt wird, stört wesentlich weniger als die Handyknippser, die mit lautem »Brzzzlzirp«-Geräusch und LED-Gefunzel in euren heiligen Hallen herumfuhrwerken – und die ihr aus irgendeinem Grund immer unbehelligt lasst.

Rechtliches

Andere Urlaubsberichte

Urlaubsberichte per Webseite sind mittlerweile eine liebgewonnene Tradition, deshalb sind im Internet außerdem von uns zu finden:


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